73,6 Prozent der Frauen in Deutschland sind berufstätig, der Anteil ist seit den 1990er Jahren stark gestiegen (Statistisches Bundesamt 2024a). Gleichzeitig arbeiten Frauen deutlich häufiger als Männer in Teilzeit und 27 Prozent der dort beschäftigten Frauen geben an, ihre Arbeitszeit aufgrund von Kinderbetreuung reduziert zu haben, wogegen dies auf nur sechs Prozent der in Teilzeit beschäftigten Männer zutrifft (Statistisches Bundesamt 2024b). Care-Arbeit (Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen) wird also nach wie vor mehr von Frauen ausgeübt als von Männern, wodurch Frauen Mehrfachbelastungen erleben.
Moderne Geschlechterbilder – Wunsch und Realität
Das traditionelle Geschlechterverständnis, nach dem allein Frauen für die Care-Arbeit zuständig sind, ist eigentlich überwunden. So befragten Eyerund und Orth (2019) Menschen nach ihrer Einstellung zur geschlechtsspezifischen Aufteilung von Care-Arbeit. Dabei gab eine Mehrheit von 75 Prozent an, Care-Arbeit sollte gleichmäßig zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden. Eyerund und Orth wollten aber auch wissen, wie die Befragten selbst die Care-Arbeit aufteilten. Dabei stellten sie eine Diskrepanz zu den zuvor geäußerten Ansichten fest, den sie als „Mind-Behavior-Gap“ bezeichnen: Der Großteil gab an, in ihrem eigenen Haushalt werde Care-Arbeit hauptsächlich von Frauen verrichtet. Frauen sind also einerseits immer öfter berufstätig und bestreiten andererseits nach wie vor die meiste Care-Arbeit. Daraus ergeben sich hohe Belastungen. Außerdem sinkt die Anerkennung von Care-Arbeit, wenn sie als etwas gesehen wird, das man nach der Arbeit quasi nebenbei erledigt.
Traditionelle Geschlechterbilder in der Arbeitswelt
So viel es an der Konstellation eines berufstätigen Mannes und einer Hausfrau zu kritisieren gibt – zumindest schützte sie vor Mehrfachbelastungen. Die klassische 40-Stunden-Woche basiert auf Vorstellung, dass der Mann in Vollzeit arbeitet, während die Frau in Vollzeit mit der Care-Arbeit beschäftigt ist. Heute jedoch sind sowohl Männer als auch Frauen oft in Vollzeit berufstätig, für Care-Arbeit bleibt also kaum noch Zeit. Inwiefern die 40-Stunden-Woche als reguläre Vollzeitarbeitszeit vor dem Hintergrund ihrer Grundannahme der geschlechterspezifischen Aufgabenverteilung noch zeitgemäß ist, kann diskutiert werden.
Auch das Steuersystem basiert auf traditionellen Geschlechterrollen. Bei verheirateten Paaren, bei denen ein:e Partner:in mehr verdient als der:die andere, wird das höhere Einkommen gering und das niedrigere Einkommen hoch besteuert. Dies macht Erwerbstätigkeit für den:die Partner:in mit dem geringeren Einkommen – traditionell die Frau – weniger attraktiv und stellt die Leistung als weniger wichtig dar. Erst mit der aktuellen Reform der Besteuerung des Einkommens von Ehepaaren wird sich dies ändern.
Mehrfachbelastungen als psychische Belastungen
Burnout hat das Image einer Krankheit von Managern: Männer, die rund um die Uhr arbeiten, um die Welt jetten, noch bei Warten in der Schlange am Flughafen ihre Mails checken und bis tief in die Nacht über ihren Laptops sitzen. Genauso wie Stress im Job kann aber auch Stress im Privaten, mit sozialen Beziehungen, in der Familie oder mit der Hausarbeit Auslöser für ein Burnout sein. Prozentual erleiden Frauen nach einer Erhebung des RKI öfter als Männer ein Burnout (Frauen: 5,2%; Männer 3,3%). Dass Mehrfachbelastungen ein Grund dafür sind, ist naheliegend. Wie Sie mit Mehrfachbelastungen im Studium umgehen können, erfahren Sie im nächsten Post.
Quellen
Statistisches Bundesamt (2024a, 2. April): Erwerbstätigenquoten 1991 bis 2023. (abgerufen am 11. Juli 2024).
Statistisches Bundesamt (2024b, 26. April): Teilzeitquote erneut leicht gestiegen auf 31 % im Jahr 2023. Pressemitteilung Nr. N017 vom 26. April 2024. (abgerufen am 11. Juli 2024).