Geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen im MINT-Bereich

CM RedaktionAllgemein, Gendersensibilität, News

Als Frau ein MINT-Fach zu studieren kann schwer sein. Vielleicht wurden schon vor Ihrem Studium Ihre Fähigkeiten dazu angezweifelt, vielleicht sind Sie selbst dadurch unsicher geworden. Zum Studienbeginn finden Sie sich dann vielleicht als einzige Frau im Raum wieder, fühlen sich von männlichen Dozenten und Kommilitonen nicht ernstgenommen und trauen sich nicht, Ihre Meinung zu sagen. Aktuell sind nur 20 Prozent der Wissenschaftlerinnen im MINT-Bereich Frauen, und auch sie berichten von Diskriminierungen: „Mit Männern wird gleich das Fachgespräch gesucht, als Frau muss man erst unnötige Fragen beantworten“, sagt Christine Bauer, Professorin für Interactive Intelligent Systems an der Paris Lodron Universität Salzburg im Interview mit den Salzburger Nachrichten. Sei sie gemeinsam mit einem männlichen Kollegen auf einer Konferenz, werde automatisch angenommen, dieser sei ihr Chef. Wenn Sie in Ihrem Studium ähnliche Erfahrungen machen, sind Sie also nicht allein!

Wie werden Frauen im MINT-Bereich benachteiligt?

Benachteiligung kann viele Gesichter haben. Nach den verbreiteten Geschlechtsstereotypen werden Frauen im MINT-Bereich geringere Kompetenzen zugetraut als Männern und ihre Erfolge heruntergespielt. Nach einer Befragung des Pew Research Centers (Funk/Parker 2018) in den USA erfahren Frauen im MINT-Bereich häufiger geschlechtsbezogene Nachteile als Frauen in anderen Berufsgruppen, sie berichten öfter von Kränkungen und erhalten im Vergleich zu Männern weniger Unterstützung vonseiten der Arbeitgeber. Dies verstärkt sich, je qualifizierter die Frauen sind. In der Konsequenz arbeiten Frauen nicht nur seltener in der Digitalbranche, sie bleiben auch weniger lang in ihren Jobs, wenn sie dort arbeiten, wie das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2020) feststellt. Darüber hinaus ist auch die MINT-Branche vom Gender Pay Gap betroffen.

„Der Gender Pay Gap beschreibt den Verdienstabstand pro Stunde zwischen Frauen und Männern. Die Ursachen hierfür können unterschiedlich aussehen: Frauen arbeiten beispielsweise in schlechter bezahlten Berufen oder erreichen seltener Führungspositionen als Männer. Einige Frauen erhalten auch dann von ihrem Arbeitgeber weniger, wenn Tätigkeit, Bildungsweg und Erwerbsbiografie vergleichbar mit denen der männlichen Kollegen sind.“

Statistisches Bundesamt

Warum werden FLINTA-Personen im MINT-Bereich gebraucht?

Eine Branche verändert sich nur, wenn sich die Menschen in ihr dafür einsetzen. Deshalb sprechen sich die Gutachter*innen zum Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung dafür aus, Gender-Themen in MINT-Fächer einzubringen und Studierende aller Geschlechter für geschlechtsspezifische Benachteiligungen zu sensibilisieren. Nur auf diese Art kann sich das Arbeitsklima der Branche so verändern, dass sich alle darin wohlfühlen.

Immer wieder werden auch geschlechtsspezifische Diskriminierungen von Algorithmen diskutiert (z.B. Orwat 2019). So sind Gesichtserkennungssoftwares bei Gesichtern von Frauen ungenauer und Programme zur maschinellen Textanalyse setzen Stereotypen fort, indem sie z.B. bestimmte Berufe mit Frauen und andere mit Männern verknüpfen. Algorithmen reproduzieren die Vorurteile derjenigen, die sie programmieren. Auch hier werden FLINTA-Personen also unbedingt in der Digitalbranche gebraucht.

Was kann ich tun, wenn ich geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen erlebe?

Am Anfang steht immer der Schritt, Benachteiligungen überhaupt zu erkennen. Viele Frauen erleben bereits seit ihrer Kindheit geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen und glauben deshalb, diese seien berechtigt. Zuallererst müssen Sie also lernen, diese Ungleichbehandlungen nicht mehr als selbstverständlich hinzunehmen. Wenn Sie sich mit etwas unwohl fühlen, ist das immer berechtigt und ernstzunehmen!

Je nach Form, Ort und Beteiligten kann es schwer sein, eine Benachteiligung anzusprechen. Trotzdem ist es wichtig, sie nicht einfach auszuhalten. Tauschen Sie sich mit anderen aus, z.B. mit Ihren Kommilitoninnen an der Hochschule – haben sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Vielleicht können Sie sich gegenseitig unterstützen oder zusammen gegen die Benachteiligung vorgehen. Weiterhin können Sie die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule, Dr. Angela Freche, oder den Konfliktlösungsbeauftragen, Steve Sokol, kontaktieren. Für weitere Beratungen können Sie auch die Unterstützungsangebote der Hochschule Mittweida nutzen.

Quellen

Funk, Cary/Parker, Kim (2018): Women and Men in STEM Often at Odds Over Workplace Equity. Washington DC: Pew Research Center.

Mauracher, Hannah (2024, 7. März): Frauenmangel In MINT: „noch immer ein Problem mit Geschlechterklischees“. In: Salzburger Nachrichten, auf:  https://www.sn.at/leben/karriere/frauenmangel-mint-noch-problem-geschlechterklischees-154469107.

Orwat, Carsten (2019): Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von Algorithmen. Eine Studie, erstellt mit einer Zuwendung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Auf: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/studie_diskriminierungsrisiken_durch_verwendung_von_algorithmen.pdf?__blob=publicationFile&v=3.

Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2020): Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten. Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.

Statistisches Bundesamt (2024): Gender Pay Gap. Auf: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-GenderPayGap/_inhalt.html (abgerufen am 12.06.2024).