Viele haben sicherlich schon vom Gender Pay Gap gehört, der den Verdienstunterschied pro Stunde zwischen Frauen und Männern beschreibt (Statistisches Bundesamt 2024). Weniger bekannt ist hingegen der Gender Digital Gap: Geschlechtsbezogene Ungleichheiten bestehen auch beim Zugang zu und der Nutzung von digitalen Anwendungen sowie deren Gestaltung.
„Der Gender Digital Gap ist Ausdruck für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in dem Ausmaß, in dem über digitale Technologien und deren Entwicklung entschieden wird und digitale Technologien entworfen, am Arbeitsplatz genutzt und als Machtressourcen zugänglich gemacht werden.“
(Lott 2023: 3)
Was bedeutet der Gender Digital Gap?
Laut einer Studie der Initiative D21 (2020) schneiden Frauen aller soziodemographischen Gruppen in sämtlichen Aspekten der digitalen Welt – Zugang, Nutzungsverhalten, Kompetenz und Offenheit – schlechter ab als Männer. „Digital natives“ sind hiervon ähnlich betroffen wie ältere Generationen. So beträgt die Geschlechterdifferenz bei digitalen Kompetenzen bei den 14- bis 24-Jährigen acht Prozentpunkte, bei den 45- bis 65-Jährigen ist sie nur einen Prozentpunkt höher. Liegen bei Standardanwendungen wie der Übertragung von Dateien von einem Gerät auf ein anderes die Geschlechter in der jüngsten Generation noch gleichauf, geht die Schere weiter auseinander, je komplexer die Anwendungen werden. Ein (Heim-)Netzwerk einrichten können zum Beispiel nur 37 Prozent der Frauen im Vergleich zu 75 Prozent der Männer dieser Altersgruppe. Auch im beruflichen Bereich wird der Gender Digital Gap mit fortgeschritteneren Anwendungen größer (Lott 2023).
Es ist wichtig zu sagen, dass Frauen keineswegs „von Natur aus“ schlechter zur Anwendung digitaler Tools gerüstet wären. Derartige Diskrepanzen können sich aber auch im Studium auswirken.
Gründe für den Gender Digital Gap
Die Gründe für den Gender Digital Gap sind – wie die Gründe für geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen insgesamt – vielfältig. Das Stereotyp, nach dem Frauen schlechter in technischen Anwendungen sind als Männer und eher „soft skills“ haben, hält sich und zeichnet verantwortlich dafür, dass Frauen bei der Anwendung digitaler Tools systematisch benachteiligt werden. So bekommen nur 36 Prozent der Vollzeit in Büroarbeit angestellten Frauen von ihren Arbeitgeber:innen Laptops, im Vergleich zu 56 Prozent der Männer (Initiative D21 2020).
Wenn Frauen immer wieder hören, ihre technischen Fähigkeiten seien schlecht oder schlechter als die von Männern (Lott 2023), führt das zu einer Internalisierung dieser Stereotype, das heißt, Frauen schätzen ihre eigenen Kompetenzen als schlechter ein, obwohl sie das nicht zwangsläufig sind. Hieraus kann eine allgemeine Unsicherheit im Umgang mit digitalen Anwendungen entstehen. Das könnte erklären, warum Frauen nach der Studie von D21 der Digitalisierung skeptischer gegenüberstehen als Männer.
Wie können die digitalen Kompetenzen von Frauen gefördert werden?
Der Bericht der Initiative D21 (2020: 17) formuliert hierzu folgende Handlungsempfehlungen:
- „Mädchen und Frauen Möglichkeiten für positive Selbstwirksamkeitserfahrungen in Praxis und Theorie eröffnen.
- Eine Didaktik digitaler Inhalte muss die Heterogenität von Lernsozialisation und unterschiedliche Ausgangsniveaus in Form einer Binnendifferenzierung von niedrigschwelligen bis zu versierten Anwendungen berücksichtigen, um diverse Zielgruppen zu erreichen.
- Das Lernen in Mixed-Teams und unter Frauen mit Digital-Expertinnen als Rollenvorbilder und Multiplikatorinnen begünstigt die Identifikation mit digitalen Themen und Inhalten.
- Ein sinnhafter Kontext für digitale Anwendungen, zum Beispiel über eine Nutzenargumentation mit alltäglichen oder sozialen Bezügen kann als
Türöffner für die Beschäftigung mit digitalen Technologien dienen.“
Diese Ansätze aufgreifend entwickeln wir zurzeit ein Digital Skills Certificate. Mit diesem können Studierende ihre digitalen Fähigkeiten erweitern und gegenüber zukünftigen Arbeitgeber:innen belegen. Nähere Informationen finden Sie bald auf der Campus-Mundus-Webseite der Hochschule Mittweida.
Quellen
Initiative D21 (2020): Digital Gender Gap. Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt. Auf: https://initiatived21.de/download/61333/d21_digitalgendergap.pdf
Lott, Yvonne (2023): Der Gender Digital Gap in Transformation? WSI Report Nr. 81, Februar 2023. Auf: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-berufstatige-frauen-bei-digitalisierung-im-nachteil-47258.htm
Statistisches Bundesamt (2024): Gender Pay Gap. Auf: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-GenderPayGap/_inhalt.html (abgerufen am 12.06.2024).